50 Jahre 2. Juni 1967
Vor 50 Jahren, am 2. Juni 1967, wurde während der Proteste gegen den Staatsbesuchs des Schahs von Persien, der Student Benno Ohnesorg von dem Berliner Staatsschutzpolizisten Kurras aus kurzer Distanz erschossen.
Die Kollaboration der Bundesrepublik mit einer von den USA unterstützten mörderischen Diktatur wurde damit offensichtlich. Die geplante und brutale Repression gegen diese vom Berliner SDS und der entstehenden APO organisierten friedlichen Proteste sowie die gezielte Vertuschung dieses Mordes durch Politik, Polizei und Justiz offenbarten vielen schlagartig den repressiven Charakter des herrschenden Systems. Der Schuss in den Kopf von Benno Ohnesorg wurde zum Startschuss für die Radikalisierung und Ausweitung der neuen linken Bewegung in der BRD.
Damit entfaltete sich endgültig auch in der BRD eine neue oppositionelle gesellschaftliche Bewegung – die APO (außerparlamentarische Opposition). Sie war Teil der in den 60er Jahren weltweit entstehenden „Neuen Linken“, die kulturrevolutionäre Züge mit radikaler sozialer und politischer Befreiung verband. Die Neue Linke entwickelte ein Bewusstsein dafür, dass die systematische und brutale Unterdrückung der antikolonialistischen Befreiungsbewegungen in Asien, Afrika und Lateinamerika nur die Kehrseite eines ausbeuterischen und zerstörerischen Systems war und ist, das im Innern – in den „Metropolen“ – mit Manipulation, Massenkonsum und Leistungsterror einerseits „friedlich“ herrscht, andrerseits Minderheiten und aufbegehrende Gruppen ebenfalls systematisch und bei Bedarf brutal unterdrückt. Exempel gab es viele: Korea, Algerien, Kuba, Kongo und 1967 vor allem der Vietnamkrieg, der Militärputsch in Griechenland am 21.4.1967 sowie eben die Schahdiktatur im Iran.
Im westlichen Deutschland war die Restauration des privatkapitalistischen Systems mit Westintegration, Wiederbewaffnung, NATO-Mitgliedschaft 1955 sowie rasantem ökonomischen Wachstum einerseits, KPD-Verbot 1956, Godesberger Programm der SPD 1959 sowie „Sozialpartnerschaft“ der DGB-Gewerkschaften andrerseits, erfolgreich gelungen. Dagegen gab es durchaus Streiks und Widerstand, der aber durch soziale Zugeständnisse wie Lohnfortzahlung und Arbeitszeitverkürzung sowie Repression und Integration wirksam neutralisiert wurde. So gab es Mitte der 60er Jahre, als die ersten Akkumulationsschwierigkeiten nach dem Nachkriegsaufschwung auftauchten, keine fundamentale oppositionelle Kraft mehr. Völlig offensichtlich wurde dies, als im Dezember 1966 CDU und SPD die erste „Große Koalition“ (Kiesinger/ Brandt) bildeten und gemeinsam eine „Notstandsgesetzgebung“ vorantrieben.
Erst die Neue Linke, deren Theorie und Praxis in der BRD wesentlich vom SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) entwickelt wurde, stellte den in Form einer „parlamentarischen Demokratie“ restaurierten Kapitalismus wieder als Fundamentalopposition in Frage. Eine Demokratie, in welche die „Alte Linke“, SPD und DGB-Gewerkschaften, nun nahezu vollständig integriert war. Die Neue Linke trat der etablierten Herrschaft nicht als klassische (parteiförmig organisierte) politische Opposition entgegen (APO – außerparlamentarische Opposition!), sondern in einer Vielfalt von Praxis und Kritik, welche die soziale mit der individuellen Emanzipation zu verbinden suchte und dem direkten Agieren einen zentralen Stellenwert beimaß. Diese Vielfalt reichte von der Frauenbewegung, der Schwulenbewegung, der Emanzipation von Minderheiten, Kinderläden, freien Schulen und Jugendzentren, Wohngemeinschaften und Kommunen, Gegenkultur und Gegenöffentlichkeit bis zu Haus-, Universitäts- und Fabrikbesetzungen, von Drogen, Musik, Flower-Power und Festivals bis zur Stadtguerilla und zum bewaffneten Kampf, vom Go-in und Teach-in bis zum Love-in.
Die „68er-Bewegung“ stellte die herrschende kapitalistische Weltordnung vielerorts und fundamental in Frage. Am umfassendsten wohl im Mai 1968 in Frankreich, als Student*innen und Arbeiter*innen gemeinsam streikten, besetzten und kämpften. Gestürzt wurde sie nicht. Viele Erfolge – wie das Ende des Vietnamkriegs, das Ende der Diktaturen in Griechenland, Portugal und Spanien – , und viele Niederlagen – wie der Einmarsch in der CSSR und die Militärputsche in Chile, in Argentinien – folgten. Reintegration und Restauration ebenfalls, auch brutale Repression und Unterdrückung: Gefangene, Gefolterte, Tote und Ermordete. Aber auch eine umfassende Bewusstseinsänderung und eine vielfältige emanzipative Praxis von unten und von vielen.
So steht der 2. Juni 1967 und die Ermordung von Benno Ohnesorg mit am Anfang einer neuen solidarischen internationalen Bewegung gegen eine bestialische und zerstörerische kapitalistische und neokoloniale Herrschaft. Diese Bewegung hat das Bewusstsein davon entfaltet, dass diese Herrschaft insgesamt abgeschafft werden kann und muss. Seit über 50 Jahren lebt und kämpft sie vielfältig gegen dieses System und versucht internationale Solidarität mit der praktischen Emanzipation hier zu verknüpfen. Gegen ihre „Weltordnung“ der Ausbeutung und Unterdrückung und für eine Welt des Friedens, der Freiheit und des Glücks für alle.
Kommt zur Kundgebung an die Deutsche Oper um 21 Uhr!!
Wann? Am 2. Juni natürlich!